12.2.
Da dieses Jahr keine Praktikanten und Praktikantinnen mit dabei sind, habe ich (Elke) den Blog mal übernommen. Ähm, ich habe noch nie selbst einen Blog veröffentlicht oder irgndeine Website bearbeitet, und mein Entdeckergeist auf diesem Gebiet ziemlich unterentwickelt – also das wird spannend….
Ich bin vor drei Tagen mit Gerd und seiner gigantischen Fotoausrüstung hier angekommen - mitten hinein in den ersten Theater-Workshop. Es ist schon zwei Jahre her, dass wir mit Creacting hier waren, und doch ist alles ganz vertraut - zum Beispiel, dass am Flughafen am Gepäckband neben uns braun gewandete Mönche aus Myanmar warten und dabei schonmal per Handy das Organisatorische vor Ort regeln. Oder dass man auf der siffigen Flughafentoilette mit Meditationsmusik auf diesen besonderen Ort eingestimmt wird. Der Stier auf dem Markplatz, der Chai-Stand, der Weg durch den ausgetrockneten Fluss. Manches hat sich aber auch verändert: Das Sachi Home erstrahlt in einem neuen hellgrünen Anstrich, die Küche steht jetzt unter der Regie einer Japanerin und ist blitzsauber. Auch Bodhgaya selbst erscheint mir sauberer, was daran liegen mag, dass vor kurzem der Dalai Lama hier war.
Vom Workshop bekommen wir am ersten Tag nicht viel mit, weil wir noch viel zu müde von der langen Anreise über Bahrain sind. Aber es reicht für ein großes Hallo mit einigen bekannten Gesichtern: Abishek und Laxman sind dabei, Vinod natürlich, Deepak und Dhamraj. Die anderen Dreamcatcher können diesmal aus verschiedenen Gründen nicht mitmachen, die meisten, weil sie für bevorstehende Prüfungen lernen müssen. Aber auch unter den Neuen sind einige Gesichter, die mir von den Besuchen in den verschiedenen Schulen beim letzten Mal bekannt vorkommen. Lustigerweise begrüßen uns dann gerade die, an die wir uns überhaupt nicht mehr erinnern können, besonders herzlich.
Abends sind wir dann bei der gewohnten Abendrunde dabei - gewohnt und doch anders, denn ohne Praktikantinnen ist alles ein bisschen weniger lebhaft und ein bisschen abgeklärter…Aus den Ideen der ersten beiden Workshop-Tage soll eine Geschichte gesponnen werden, denn am Ende soll es wieder eine große Aufführung geben. Nach langer Diskussion kommen wir zu dem Schluss, dass die Story noch ein bisschen dünn ist und wir mal noch die Ideen der Kinder vom nächsten Workshop-Tag abwarten.
Der nächste Workshop-Tag beginnt wie immer mit einer Runde Indiaka, bei der die jüngeren Mädchen noch recht verschüchtert wirken. Das ändert sich schlagartig bei den Aufwärmübungen, denn die werden von Abi und Deepak mit reichlich Figuren aus Bollywood-Tänzen gemischt. Die Übungen werden jetztwietgehend von Vinod, Laxman, Abi und Deepak geleitet, die mittlerweile auch schon völlig selbständig (und gegen Bezahlung) Workshops an den Schulen abhalten. Nach einer anschließenden Yoga- und Massagerunde gibt es erst einmal Frühstück, bestehend aus Litti Chokha, Teigbällchen mit einer würzigen Füllung aus Kichererbsenmehl, dazu eine dicke Soße aus Kartoffeln und Gemüse - endlich wieder herzhaftes indisches Frühstück!!
Von der ersten Spielrunde mit vorgegebenen Themen bekomme ich dann nicht viel mit, weil ich mit Frieder die englische Version des Mietvertrags für das neue Domizil von Creacting India überarbeite. Ja, Creacting India kann bald ganz offiziell und mit eigenem Domizil aktiv werden, doch dazu später mehr!
Als ich am Nachmittag wieder dazustoße, komme ich gerade rechtzeitig, um mitzuerleben, wie einer der größeren Jungs per Kaiserschnitt ein Baby zu Welt bringt (ja richtig, der Vater war schwanger!) Vorausgegangen waren im Zeitraffer eine rührende Flirtszene, eine traditionelle Eheschließung und indischer Ehealltag. Das Ganze übrigens wie alle anderen Szenen an diesem Nachmittag ohne Worte, nur untermalt mit Musik, in echter Stummfilm-Manier. Wir halten uns die Bäuche vor Lachen! Das war eines der freien Themen, als weitere Themen gibt es Nachdenkliches, wie etwa den Überlebenskampf einer indischen Bauernfamilie, und brandaktuelle Themen wie die Allgegenwart des Handys (Ärztin ist während der OP ständig am Telefonieren und vergisst das Handy im Bauch des Patienten, höchst amüsant!) oder ein außer Kontrolle geratener Haushaltsroboter. Zum Abschluss noch ein Bühnenaufgang, bei dem jeder eine große Lebensfrage stellen soll. Bei den Ergebnissen überwiegt die Frage nach Gott, dem Himmel und dem Tod, aber es gibt auch Sozialkritisches (Warum bevorzugen indische Eltern Jungs?) und Amüsantes (warum fließt in unseren Adern Blut und nicht Benzin oder Tomatensoße?). Stoff für die Show ist an diesem Nachmittag auf jeden Fall genug dabei gewesen. Nach einer kurzen Feedback-Runde geht alles ganz schnell, denn die Mädchen müssen wie immer vor Dunkelheit zu Hause sein.
Und ich habe es nun eine Woche später tasächlich nach zahlreichen Kämpfen mit Gerds Apple-Technik, dem erlösenden Umstieg auf den Creacting-Computer (Windows...), diversen Stromausfällen und damit verbundenen Abstürzen und Neuanfängen tatsächlich geschafft, den ersten Blog-Beitrag zu veröffentlichen!! Darauf bin ich schon ein bisschen stolz...
15.2.
Nach dem Wochenend-Workshop gab es erstmal einen Tag Verschnaufpause und abends feierten wir im Hari-Om Abschied von Rea, die am Dienstag leider wieder nach Hause fliegen musste. Wir hatten uns ja bei unserer Abreise total auf die Wärme in Indien gefreut, aber jetzt hatten wir erst einmal zwei regnerische und richtig kalte Tage, sodass man alles an warmen Klamotten anziehen musste, was man dabei hatte. Auch die Zimmer waren eisig, denn Heizung gibt es ja hier nicht. Die armen Menschen, die hier auf der Straße leben und mit diesen Extremen zurechtkommen müssen – brütende Hitze und Monsunregen im Sommer, während im Winter die Temperaturen schon einmal in die Nähe des Gefrierpunkts sinken können.
Am Dienstag war Shivaratri, der höchste Feiertag zu Ehren des Gottes Shiva, an dem dessen Hochzeit mit Parvati gefeiert wird. Gerd hat in seinem Fotoblog auf https://gerd-gruhn-fotografie.de/category/reiseblogs/indien-2018 über seine Shivaratri-Erlebnisse berichtet. Abends gingen alle zu Om Baba zum Feiern, leider erwischte mich eine Migräne, sodass ich nicht dabei sein konnte. Das ärgerte mich besonders deshalb, weil ich mir vorgenommen hatte, mich diesmal unter die Frauen zu mischen, die ja getrennt von den Männern feiern. Diesmal hätte ich sogar ein wenig auf Hindi verständigen können, da Frauen hier in der Gegend in der Regel kein Englisch können, aber es sollte nicht sein.
Die nächsten Tage waren angefüllt mit administrativen Dingen. Der Mietvertag für den noch fertigzustellenden Theatersaal über fünf Jahre ist ausgehandelt und unterschrieben und der dafür vorgesehene Aufbau auf dem Dach des Rajani-Gästehauses wächst unerwartet schnell. Das liegt vielleicht zum einen daran, dass es bald unerträglich heiß wird, und zum anderen daran, dass bei Fertigstellung des Rohbaus die nächste Rate der Vorausmiete fällig wird. Dem Einzug im Juni dürfte also nichts im Weg stehen. An den Details wird noch gefeilt – so z. B. an der Frage, ob eine Indian-Style- oder Western-Style-Toilette eingebaut werden soll. In dem Gästehaus werden dann auch wir künftig übernachten, sodass das Sachi Home Geschichte sein wird. Ein bisschen vermissen werden wir es sicher, zumal momentan der Service super ist, d.h. wenn man einen Chai bestellt, bekommt man den meistens sofort und eine Quittung gibt es auch noch dazu (früher konnte es passieren, dass man nach einer Stunde mitgeteilt bekam, das die Milch alle ist, abgerechnet wurde alle paar Tage nach dem Motto "wird schon irgendwie stimmen"). Für den Trust fehlt nun noch die Registrierung beim Innenministerium in Delhi, wofür auch die entsprechenden Papiere vorbereitet wurden.
21.02.
Jetzt ist schon wieder fast eine Woche vorbei, und Gerd und ich werden übermorgen schon wieder abreisen, weil wir noch Reisepläne haben. Wir werden also leider bei der Show nicht dabei sein, was wirklich traurig ist! Das nächste Mal müssen wir das besser timen. Jetzt will ich noch einen kleinen Rückblick auf die letzten paar Tage geben. Das Motto der Show steht: „Why?“ Das heißt, es werden die Fragen thematisiert, die die Kinder am Ende des zweiten Workshop-Wochenendes gestellt haben. Dazu werden einige der bereits gespielten „Stummfilm“-Sequenzen weiter ausgearbeitet und zunächst als sechs Einzelszenen in der Show am 26.2. aufgeführt. Das soll aber nur der Anfang sein, denn „Why“ ist als ein theatralisches Forschungsprojekt konzipiert, zu dem jeder beitragen kann. Heute sind wir in einer Medical School eingeladen, wo wir Gelegenheit haben werden, Werbung für Creacting India und das Why-Projekt zu machen - die Studenten werden ebenfalls aufgerufen, ihre persönlichen Why-Fragen zu stellen und sie später vielleicht sogar in einem Workshop spielerisch zu verarbeiten. Für die Show haben wir Flyer und Plakate gestaltet, die in ganz Bodhgaya verteilt werden. Gerd hat dafür mit den Kindern ein lebendiges Logo fotografiert und dann mit Photoshop die einzelnen Buchstaben freigestellt. Das Amphitheater hat Platz für über 1000 Zuschauer, sodass das ein richtig großes Ding werden kann! Ein Wochenende bleibt noch für Proben, dann muss die Show stehen.
Zwischendurch gab es ein Meeting, in dem Ziele für Creacting India gesetzt, Personalfragen geklärt, über Möglichkeiten zur optimalen Auslastung der Räumlichkeiten und Finanzierung des Trusts diskutiert und Visionen der Beteiligten für das nächste Jahr, die nächsten 5 Jahre und die nächsten 10 Jahre ausgetauscht wurden. Die Motivation ist groß, und die Ideen zur eigenständigen Finanzierung sind zahlreich. Neben der Arbeit in den Schulen sollen Theater- und Tanz-Workshops und Hausaufgabenhilfe angeboten und der Saal auch für andere Veranstaltungen in den Bereichen Theater, Kultur und Bildung vermietet werden. Ramu willl neben den Theater-Workshops seine Dienste als Henna-Künstler anbieten. Wir können also optimistisch sein, dass Creacting India eines Tages ganz auf eigenen Füßen stehen wird.
Inzwischen ist auch der Umzug des Büros über der Bühne und die Creacting-Flagge wurde gehisst!
Es war eine arbeitsreiche Woche, aber dennoch fehlte nie die Zeit, sich morgens zum Meditieren unter den Bodhi-Baum im Tempel zu setzen und abends gemütlich beim Hari Om beisammenzusitzen und leckeren Honey Ginger Lemon zu trinken und Vegetable Curry, Momos oder Chow Mein zu futtern. Da wir dieses Jahr so eine kleine Gruppe sind, klingt das Abendessen im Hari Om dann meistens auch gleich mit der Abendrunde aus. Später auf dem Balkon im Sachi Home wird dann noch bis tief in die Nacht hinein für den nächsten Tag geplant und organisiert.
22.02.
Der gestrige Abend in der Medical School verlief dann nicht ganz so, wie geplant. Nachdem wir uns zunächst bei Abishek mit leckeren Pakoras gestärkt und dabei seine Mutter, seine Schwestern und seine erst wenige Woche alte Nichte kennen gelernt hatten, ging es durch das Feierabendgewühl mit der Rikscha durch Gaya zum Veranstaltungsort. Dort wurden wir alle mit einem Blumenstrauß empfangen und in die erste Reihe gesetzt, x-mal fotografiert und gefilmt, jeder bekam noch eine Schachtel mit einer Samosa und Süßigkeiten in die Hand gedrückt, und dann ging das Programm los. Einige der Tanznummern hatte Abishek mit den Studenten einstudiert, und die waren wirklich gelungen. Geplant (und laut Abishek mit dem Direktor abgesprochen) war, dass wir uns ziemlich am Anfang vorstellen, nur schien das keiner zu wissen... Es kam eine Rede nach der anderen, Tänze, Gesangsnummern (von teils höchst fragwürdiger Qualität), und immer mehr Studenten verdrückten sich nach draußen und sprachen dem Alkohol zu. Nach gut zwei Stunden war endgültig die Erkenntnis gereift, dass das wohl doch nicht das passende Publikum für unsere Art von Theater ist und wir beschlossen, unverrichteter Dinge abzuziehen.
So, mit diesen Zeilen verabschiede ich mich für dieses Jahr! Ich hoffe dass die Show ein großer Erfolg wird, und freue mich schon auf nächstes Jahr. Namaskar!